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Anpassung des Wahrnehmungsvertrages der VG Wort

8. Oktober 2024

Für das Netzwerk Autorenrechte fasst Nina George zusammen, was die Anpassung des Wahrnehmungsvertrages der VG Wort bedeutet, von der zwischen dem 7. und 14.10.2024 alle Wahrnehmungsberechtigten per Mail informiert werden.

Disclaimer: Nina George ist seit 2015 VG Wort-Verwaltungsrätin, BG1

Zur Rechtslage

(1) Die derzeitige Gesetzeslage mit §44b des UrhG zu Text und Data Mining (TDM) besagt, dass dieses ohne Vergütung geschehen kann, und sich Autoren nur mit einem maschinen-lesbaren Opt-Out davon “befreien” können.

(2) Dieses Gesetz wurde auf den letzten Drücker in die EU Richtlinie von 2019 gepresst (Art 4, 2019/790 EU)) und trat 2021 in Kraft. Müßig, zu erwähnen, dass das Netzwerk Autorenrechte Abgeordnete warnte, dass es Kräfte gäbe, die das ungünstig auslegen werden.

(3) Obwohl niemand von generativer KI im Jahr 2019 sprach, so nutzen – oder missbrauchen? – zahlreiche GenKI-Entwickler dieses Gesetz heute, um sich Material inklusive Buchwerke einzuverleiben, ohne zu vergüten, ohne zu lizenzieren. Ihre Behauptung, TDM sei GenKI-Entwicklung, wurde übrigens jüngst durch eine wissenschaftliche Studie (Dornis/Stober) widerlegt, zu finden in meiner Timeline oder beim Netzwerk Autorenrechte

(4) Was macht nun die VG Wort? Sie geht von folgendem aus:

(a) GenKI oder KI-Entwicklung ist nicht TDM, und muss vergütet und lizenziert werden.

(b) Die wenigsten Urheber haben je in ihren Verträgen das explizite Recht der Nutzung ihrer Werke für TDM, oder für GenKI, oder für KI-Entwicklung, übertragen.

(c) Ergo: diese Rechte sind Exklusivrechte des Urhebers. Er kann sie übertragen oder behalten.

(d) Die Änderung des Wahrnehmungsvertrages setzt genau da an: dass es dem Urheber ermöglicht wird, zu lizenzieren. Oder auch: Widerspruch einzulegen und zu sagen: Naa. Mag net.

Zu den geplanten Lizenzen der VG Wort:

(1) Sie sind nicht für Unternehmen wie Meta, Open Ai, Alphabet usw. gedacht.

(2) Es sind Unternehmenslizenzen für ausschließlich interne Nutzung, z.B. bei Patentämtern, Logistikunternehmen, Chemische Industrie, etc., zur Entwicklung interner Anwendungen.

(3) Die Nutzung der Werke wird nicht dafür genutzt einen Output herstellen zu lassen, der in Konkurrenz zum Werk steht.

(4) Sie werden vergütet.

Zur persönlichen Entscheidung:

Im Netzwerk Autorenrechte haben wir im Vorfeld der MV der VG Wort eine Umfrage erstellt und die geplante “KI-Lizenz” debattiert. Ihr müsst Euch an Eure Vorstände wenden und um Erläuterungen bitten.

Wir machten auch eine Umfrage, um herauszufinden: Wenn Du Geld bekämst für eine Nutzung Deines Werkes zu einer KI-Entwicklung, die nicht bei Open Ai und Konsorten statt findet, sondern um textbasierte Systeme inkl. z.B. Sprachsteuerung oder Suchmaschinen innerhalb von z.B. Patentämtern, zu gewähren, würdest Du?

• Ein Teil der Kollegen sagte: Besser ein bisschen Geld als kein Geld, und eh wird mich Text-KI nicht ersetzen können.
• Ein anderer Teil sagte: Nein, ich möchte das grundsätzlich nicht, ich lehne das aus Gründen ab.
• Wieder ein Teil sagte: Nur unter bestimmten Bedingungen: Geld, begrenzte Laufzeit, Transparenz.

Die Stimmungslage ist folglich divers.

Grundsätzlich ist die unternehmensinterne KI-Lizenz insofern ein Novum, da es die vergütungsfreie, also ungefragte und unbezahlte Nutzung, die zurzeit KI-Unternehmen aus dem TDM-Artikel ableiten, ablehnt, und stattdessen sagt:

Wenn Nutzung, dann fragen, dann Lizenz, dann Geld.

Ihr könnt mit einem Zweizeiler widersprechen, dass die VG Wort dieses Recht für Euch wahrnimmt und lizenziert. Entsprechend wird es dann auch keine anteilige Vergütung dafür geben.

Der Widerspruch gilt für das gesamte Repertoire, auch für alle Pseudonyme. Es ist absehbar, dass zumeist Fachbücher verwendet werden; Anekdote: In Norwegen wurde ein Experiment der Nationalbibliothek gemacht, bei dem u.a. heraus kam, dass eine Text-KI umso mehr “halluziniert”, je mehr Fiction ihr Basismodell enthielt. Oder, anders gesagt: für eine technisch orientierte, betriebsinterne, nicht für öffentliche Produkte genutzte Textbasierte KI, werden belletristische Texte weitesgehend uninteressant sein. Das soll aber niemand davon abhalten, zu widersprechen.

Im Angesicht der Umfrageergebnisse s.o., haben wir als Verwaltungsräte beschlossen, der KI-Lizenz eine Chance zu geben, um klarzumachen: Du darfst keine Werke nutzen, ohne zu fragen, zu zahlen, und sauber und transparent zu lizenzieren mit jeweiligen Bedingungen.

Andererseits MUSS gewährleistet sein, dass jede(r) Autor:in “nein, danke”, sagen kann, da ihr dieses Recht gehört, was mit der Widerspruchsmöglichkeit angeboten wird.

Ihr könnt jetzt widersprechen, aber natürlich auch jederzeit danach, dann wird es nur zu einem anderen Zeitpunkt wirksam, und bis dahin ggfs lizenzierte Werke sind dann bereits in einem Zyklus einer KI-Entwicklung (intern, nicht ChatGPT und Co), enthalten.

Zwei relevante Antworten auf gestellte Fragen:
– man fliegt nicht aus der VG Wort, wenn man diesem einen Passus widerspricht.
– Textwerke werden nicht an Verlage lizenziert, die sich daraus eigene Text-KI bauen um Bücher automatisiert zu produzieren.

RELEVANTE LINKS

 www.vgwort.de/veroeffentlichungen/aenderung-der-wahrnehmungsbedingungen.html
 www.vgwort.de/veroeffentlichungen/wortreport.html
 www.vgwort.de/fileadmin/vg-wort/pdf/Veroeffentlichungen/Wortreport/Fragen_und_Antworten_zur_neuen_KI_Vergleichsfassung_2024_10_04_final.pdf
 www.linkedin.com/pulse/betreff-vg-wort-wahrnehmungsvertrag-nina-george-hyxwe/?trackingId=wKo1mdquSj2IVcGAyFwFPg%3D%3D
www.falkenhagen.de/2024/10/07/vg-wort-ki-lizenzen-was-tun/

Generative KI, fair und menschenwürdig – geht das?
Verband deutscher Schriftsteller*innen (VS in ver.di)

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