Das Netzwerk Autorenrechte kritisiert den Code of Practice und das Template der EU KI-Behörde: „Wenig Rechtssicherheit, aktive Verhinderung von Rechtsdurchsetzung – und ein demütigendes Signal an alle Kulturschaffenden in Deutschland und Europa.“
Unser Appell an die deutsche Bundesregierung: Lehnen Sie den Verhaltenskodex in der jetzigen Form ab, und fordern Nachbesserungen in Transparenzforderungen und Verantwortungszuweisung an KI Unternehmen.
Berlin, 31. Juli 2025 I Mit zweimonatiger Verspätung, am 10. Juli 2025, wurde der Verhaltenskodex („Code of Practice“) zur praktischen Umsetzung des EU AI Acts veröffentlicht, sowie das unter Article 53 (1)(d) der Regulation (EU) 2024/1689 (AI Act) verpflichtende Template für GPAI Provider.
Das Netzwerk Autorenrechte kritisiert:
- Der Kodex bleibt weit hinter den Absichten des AI Acts zurück. In den Details, die für Urheber des Buchsektors wichtig wären, legt der Code willkürliche Eigeninterpretationen vor, die sowohl rechtlich als auch praktisch zweifelhaft sind.
- Das Template verhindert durch die Weigerung des AI Office, eine titelgenaue Auflistung benutzter Werke von KI Providern zu verlangen, eine Rechtsprüfung durch betroffene Urheber, und stellt sich damit aktiv gegen die Rechtsdurchsetzung.
Zum Kodex
Zwar ist der Kodex im Wortlaut strenger als vorherige Entwürfe. Formulierungen, die im zweiten und dritten Entwurf nur auf „angemessene“ oder „bestmögliche“ Anstrengungen für Transparenz oder Beachtung von Urheberrechten hinwiesen, wurden durch Verpflichtungen ersetzt. Auch ist es positiv zu vermerken, dass KI Providern auferlegt wird zu verhindern, dass ihre Modelle Outputs generieren, die geschützte Werke reproduzieren oder Werke urheberrechtlich verletzen. Dies greift unmittelbar den urheberrechtlich zweifelhaften Erfolg der Modelle an: die gezielte Imitation von Stilen, Semantik, ganzen Sätzen, das Wiederverwerten menschlicher Ideen. Dieses schamlose „Erfolgskonzept“ greift der Code an – allein, ob dies praxistauglich prüfbar und sanktionierbar, wird sich beweisen müssen.
Grundsätzlich ist der Kodex weit davon entfernt, Rechtssicherheit und Durchsetzungsinstrumente für uns zu schaffen, was die unerlaubte Nutzung unserer Arbeit betrifft.
Vier Hauptmankos aus unserer Sicht:
- Obwohl der Kodex das Urheberrecht der Union weder auslegt noch ändert, vermittelt die unkommentierte Bezugnahme Art. 4(3) TDM-Ausnahme der Richtlinie 2019/790 (EU) den Eindruck, dass die Verfasser des Kodex Text- und Datenmining-Verfahren mit dem Training generativer KI gleichsetzen. Dass dies höchst zweifelhaft ist, wie mehrere für den EU Rechtsausschuss gefertigte Studien und der am 15. Juli vorgelegte Initiativbericht von Axel Voss, MdEP, zeigen, versäumt es der CoP, KI-Anbietern Warnungen für den Umgang mit dieser Ambivalenz an die Hand zu geben. Wir vertreten weiterhin die Auffassung, dass „KI“-Nutzung ein neues Recht ist, das exklusiv und unübertragbar bei den Urhebern und damit in unserem Fall, Buchautoren liegt. Die Anwendung der Schranke §44b umfasst keine Entwicklung insbesondere generativer Technologien. Jegliche unautorisierte Nutzung ist demnach eine Urheberrechtsverletzung.
- Zynisch bis rechtlich angreifbar ist die Auslegung zum Thema Piraterie als Quelle von „Trainingsmaterial“: Der Code sagt zwar, dass Entwickler rechtsverletzende Websites aus den Trainingsdatenquellen ausschließen müssen. Aber: Dies gelte nur für Piraterieseiten, die im „gewerblichem Umfang“ betrieben werden. In der Praxis bedeutet dies, dass alle „nicht gewerblich“ betriebenen Websites oder solche, die vielleicht „nur“ ein paar tausend illegal kopierte Werke gratis anbieten, „zulässig“ zu sein scheinen – was auf etwa 95% aller Piraterieseiten zutrifft.
- Am meisten zu schaffen macht uns die Lücke bei der Datenherkunft und Dokumentation über die gesamte KI-Entwicklungskette hinweg: Der CoP hat seit dem 2. Entwurf eine für uns immanente Bestimmung gestrichen, die Entwickler dazu verpflichtete, die Rechtmäßigkeit von Datensätzen Dritter zu prüfen, z. B. wenn sie Werke erwerben oder erhalten, anstatt sie selbst zu scrapen. Auch das Template fängt diese Lücke nicht angemessen auf. Ebenso wurde die frühere Bestimmung gestrichen, Urheberrechte während des gesamten Zyklus‘, von der Erfassung über die Speicherung, Vervielfältigung und Memorisierung im Modell, bis hin zur öffentlichen Zugänglichmachung von ganzen oder Teilen geschützter Werke, zu respektieren. Wenn Werks-Korpora nun aber innerhalb z.B. Privater Partnerschaften mit Universitäten und KI-Unternehmen hin- und her getauscht werden, oder ein Downloader flugs einen USB-Stick mit abertausenden E-Books in Sam Altmans Postkasten wirft, oder sich eine Bibliothek rechtswidrig einfallen lässt, doch mal eben das gesamte elektronische Repertoire „zu spenden“, muss sich der KI-Provider nicht darum bemühen, den rechtlichen Status der Werke zu klären – noch die externen Spender offenzulegen.
- Es gibt keine verbindliche Pflicht, wonach KI-Anbieter unsere Rechtevorbehalte bestätigen müssen oder uns erklären, wie sie ein Werk aus dem Datensatz nach Aufforderung entfernen. Einzig robots.txt wird als eine Art „Goldstandard“ des Opt-Outs gesetzt, eine Methode, die für die Buchwelt nicht anwendbar ist. Entgegen massiven Argumenten aller kulturellen Sektoren haben sich die Code-Verfasser auch hier dem Wunschzettel der KI-Provider gebeugt, und fordern sie halbherzig zu freiwilligen Kooperationen mit den Kultursektoren auf.
FAZIT zum Kodex
Dieser Kodex ist kein rechtssicheres Regelwerk und geht an den praktischen als auch rechtlichen Interessen der betroffenen Urheber zielsicher vorbei. Er ist ein politischer Kompromiss, der (Nicht-EU-)KI Entwicklern dient, und europäischen Kulturschaffenden kein wirksames Instrument zur Prüfung und Durchsetzung ihrer Rechte gibt. Die Kommission schafft zudem willkürlich eine neue zweistufige Übergangsfrist: Entwickler, die den Code unterzeichnen, ihn aber brechen, sind ein Jahr bis zum 2. August vor Strafen geschützt. Nichtunterzeichner müssen ihn hingegen sofort befolgen.
„Warum diese Schonfrist gewährt wird, mag Taktik in Richtung Trump sein, der es am liebsten sähe, dass US-Unternehmen sich weiterhin wie die Wildsau in Europa benehmen können“, so Nina George, die im neunmonatigen Aushandlungsprozess des Code of Practice in den Arbeitsgruppen Recht, Transparenz und Risiko-Taxonomie wirkte. „Demokratisch ist es nicht.“
Zum Template
Das Template, das am 24. Juli vom AI Office präsentiert wurde, und das die Durchsetzung der Rechte für einzelne Werke aktiv verhindert, ist zusammen mit dem Code of Practice eine demütigende Botschaft an die Buchurheber Europas: Eure Urheberrechte, Eure Leistungen, und Euer Beitrag zu Diversität und Demokratie, ist uns nichts wert.
- Wir hoffen, dass die deutsche Bundesregierung der Kommission und der zuständigen EU Kommissarin ein deutliches Zeichen geben, und den Code als auch das Template in jetziger Form ablehnen.
„Wir haben aufgrund unserer Erfahrung mit den zuständigen Abteilungen und den intransparenten und wenig demokratischen Verhandlungen während des Code of Practice nicht viel von dem AI Office bei der Erstellung des Template erwartet – aber die geringen Erwartungen wurden sogar untertroffen“, so Nina George, politische Beauftragte des NAR.
Die drei größten Mankos aus unserer Sicht:
- Keine titelspezifischen Angaben zu benutzten Werken. Auf diese Weise kann der Autor als genuiner Rechteinhaber nicht kontrollieren, ob sein Werk genutzt wurde. Insbesondere im Buchsektor, in dem wir gezwungen werden, für jeden Titel, jede Ausgabe, jede Übersetzung, ein kostspieliges Opt-Out anzulegen, ist es eine aktive Verhinderung der Durchsetzung unserer Rechte, wenn wir keine Werksangaben erhalten. Das Template ist damit nutzlos. Was hier nur helfen könnte für künftige Gerichtsverfahren ist eine widerlegbare Vermutung der Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte im Zusammenhang mit der Entwicklung oder dem Einsatz von KI –wie es die Dänische EU Ratspräsidentschaft gerade thematisiert.
- Keine wirksame Auskunftspflicht für bestehende Modelle, die bereits seit Jahren im Markt agieren.Provider haben nicht nur bis August 2027 Zeit sich zu überlegen, ob und was sie mitteilen, welche Werke sie für ihre existierenden Modelle geplündert haben. Sondern ihnen wird auch noch die Hand hingestreckt, dass sie nicht zu viele administrativen Aufwand betreiben müssen oder einfach sagen: Ach, weiß ich nicht so genau, waren einfach zu viele.
- Die Sektion 2.6 wäre in Theorie die interessanteste für uns. Werks-Sets von Buchwerken werden oft auf anderen Wegen übermittelt als gescraped. Etwa zwischen Forschungsentitäten und in privaten Partnerships mit KI unternehmen. Hier schweigt sich das Template in Beispielen sehr laut aus, und geht sogar so weit, Institutionen des kulturellen Erbes (CHI) als Quellen von Content Sets in den Beispielen anzugeben. Diese sind jedoch keine Rechteinhaber, und z.B. sind weder Bibliotheken noch Archive oder Museen berechtigt, geschützte Werke zur Verfügung zu stellen.
Positiv sind allerdings zwei Punkte: die Verpflichtung das Template öffentlich zugänglich zu machen, und die Zeitperioden des Sammelns offen zu legen. So könnten – theoretisch, praktisch ist es zweifelhaft – Rechteinhaber kontrollieren, ob nachträglich angebrachte Opt-Outs respektiert wurden oder ihre Werke nach Beschwerden aus dem Datensatz entfernt.
FAZIT zum Template:
Auch dieses halbherzige Regelwerk dient dem fortgesetzten Ausverkauf der europäischen Kulturwerke, auf deren Basis nicht-europäische Unternehmen ihre profitablen Plagiats- und Repetiermaschinen gebaut haben. Wir plädieren an die Deutsche Bundesregierung, sich für titel-spezifische Nachweise durch KI Entwickler bei der Nutzung unserer oft in Lebensarbeit aufgebauten Werke einzusetzen, oder das Template in seiner jetzigen Form als nicht ausreichend zurückzuweisen.
Kontakt
- Dorrit Bartel, Koordinatorin, info@netzwerk-autorenrechte.de
- Nina George, Politische Beauftragte, nina.george@europeanwriterscouncil.eu
Über uns. Das Netzwerk Autorenrechte (NAR) repräsentiert 15 Autor:innen- und Übersetzer:innen-Verbände aus Deutschland, Österreich sowie der Schweiz und damit 16.500 professionelle Urheber:innen des Buchsektors.
Weitere Ressourcen zum Thema:
- Deutscher Journalistenverband (DJV): EU Kommission knickt vor Big Tech ein.
- Initiative Urheberrecht: Code of Practice weiterhin unbefriedigend.
- 40 europäische und internationale Dachverbände: Ein Betrug an den Absichten des AI Acts














