Bild: Steve Buissinne

Kreative Intelligenz ./. Künstliche Intelligenz

Autor:innen und Übersetzer:innen des deutschsprachigen Buchsektors fordern einen ethischen und rechtlich wirksamen Umgang mit sogenannter künstlicher „Intelligenz“
Text-and-Data-Mining-Ausnahme reformieren • Zustimmungspflicht statt Nutzungsvorbehalt • Transparenzpflicht und Verantwortungszuweisung

Stellungnahme und Forderungen des NAR zum Umgang mit KI

Autor:innen und Übersetzer:innen sind die Quellen des Buchwirtschaftssektors mit seiner Wertschöpfung von 13,5 Milliarden Euro in Deutschland. Als zentrale Ressource dieses Teilmarktes der Kreativ- und Kulturwirtschaft (KKW) partizipieren sie jedoch nur mit 5 bis 10 Prozent der Erlöse und gehen darüber hinaus in unbezahlte Vorleistung: Sie gehen privatwirtschaftliches Eigenrisiko ein und werden weder für ihre Arbeitsleistung wie Seitenumfang oder Qualität, noch Recherche oder gar Arbeitszeit bezahlt. Einzig die Werknutzung löst eine monetäre Beteiligung aus, wie etwa Verkauf, Verleih oder Lizenzen.

Die vergütungsfreie Nutzung ihrer Arbeit durch Schranken und Ausnahmen im Urheberrechtsgesetz oder gesetzlich erlaubte Nutzungen ohne Einwilligung der Urheber:innen mit nur geringer Vergütung gehen zu Lasten ihres Einkommens – insbesondere durch die sich im Tagestakt rasant weiterentwickelnden KI-Software-Produkte im Buchsektor.

Seit Jahren wird die professionelle Leistung von Schreibenden und Übersetzenden unvergütet und ohne Zustimmung verwertet, um konkurrierende Softwareprodukte der sogenannten künstlichen „Intelligenz“ zu entwickeln. Weltweit arbeiten Unternehmen wie Oracle, Alibaba, Google, Microsoft, OpenAI, Nvidia oder Apple und Amazon an Textgeneratoren, maschineller Übersetzung und synthetischer Vertonung von Textwerken zu Hörbüchern. Die Datensätze für das „Training“ von Übersetzungs- und Selbstschreibsoftware beruhen neben im Internet zugänglichen gemeinfreien Textwerken auch auf urheberrechtlich geschützten und digitalisierten Büchern der Jahre 2013–2021 und jünger, die von Piraterieseiten stammen.

Die seit 7.6.2021 in Kraft getretene Schrankenregelung zum unvergüteten Text und Data Mining (TDM) macht auch außereuropäischen Unternehmen das Schürfen von Trainingsmaterial beschämend leicht: Das für Online-Inhalte gesetzlich mögliche „maschinenlesbare Opt-out“, der sogenannte Lizenz- oder Nutzungsvorbehalt anstatt einer Zustimmungspflicht, wird nirgends angewandt, da es weder eine technische noch vertragliche Ausgestaltung dazu gibt. Das Netzwerk Autorenrechte fordert dringend eine unter ethischen, urheberrechtlichen, wirtschaftlichen, menschenrechtlichen und persönlichkeitsrechtlichen Aspekten weitreichende Regulierung von KI-Systemen und Datennutzungen wie folgt:

Regulierter, vergütungspflichtiger und transparenter Umgang mit Datensätzen
1. Die TDM-Ausnahme mit vergütungspflichtiger Ausgestaltung verwertungsgesellschaftlich und wie von der VG Wort bereits 2019 gefordert reformieren.
2. Freiwilliges Opt-in-Management für jede:n Urheber:in anwendbar gestalten. Im Übergangszeitraum das gesetzlich vorgeschriebene und derzeit dysfunktionale „maschinenlesbare Opt-out“ durchsetzbar und anwendbar implementieren.
3. Lizenzpflichten für die Entwickler:innen von KI-Produkten implementieren, um Kollektiv- sowie Individuallizenzen mit Urheber:innen abzuschließen.
4. Eine explizite Nachweis- und Transparenzpflicht über die verwendeten Werke muss bei den Nutzer: innen und entsprechend bei den Unternehmen liegen.
5. Bei Einsatz von sogenannten Klon-Stimmen, die von lebenden Personen und Sprecher:innen ohne Zustimmung verwendet wurden, ist die explizite Zustimmung der menschlichen Sprechenden einzuholen, und diese sind angemessen an Erlösen zu beteiligen.

Umgang mit KI-Anwendungen und KI-Produkten: AI ACT & Transparenzpflicht
6. Eine Kennzeichnungspflicht von mittels KI hergestellten Presse-, Buch- und Textwerken inkl. Übersetzungen sowie Audiowerken wie Audiobooks, Hörspielen usw. ist einzuführen.
7. Europäischer AI-Act: Bisher ist keine Kennzeichnungspflicht für KI-Kulturwerke vorgesehen, sondern in Artikel 52 (3) sogar eine Ausnahme mit unklarer Verantwortungszuweisung geschaffen worden. Dies sollte keinesfalls im Trilog oder Rat Zustimmung finden.
8. Vor Verabschiedung des AI-Acts ist ein Stakeholder-Dialog mit der Kultur- und Kreativwirtschaft, insbesondere den Urheber:innen anzusetzen, um Risiken zu bestimmen und Maßnahmen zum Schutz der Urheber:innen, Kulturnutzer:innen und der Wirtschaftskraft zu entwerfen.
9. Maschinelle Übersetzung sollte nur selbstbestimmt von Übersetzer:innen eingesetzt werden. Bei maschinell vorübersetzten Texten muss für „Post-Editing“ ein Stundensatz in einer festzulegenden Mindesthöhe vereinbart werden. Verlage haben die Informationspflicht, gegenüber Autor:innen anzuzeigen, ob ihre Texte maschinell (teil-)übersetzt wurden.
10. Das Urheberrecht muss bei den Übersetzer:innen verbleiben, unabhängig davon, ob sie selbst eine Maschine einsetzen, oder sich ihre Bearbeitung des Originals auf eine maschinell erstellte Vorlage des Verlags (o. ä.) stützt.
Alle Informationen zum Download:

Umgang mit KI Stellungnahme und Forderungen | PDF
Umgang mit KI Hintergrundpapier | PDF

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